Erstmal zur Einstimmung ein Rundflug mit Michael Kugler als Pilot und Fotograf
Anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Bagbander Mühle verfasste Albert Kroon für den hiesigen Mühlenverein den nachfolgenden Bericht über Mühle, Müller, Land und Leute.
Der Beitrag ist im Mühlenstein Nr. 53 Jahrgang 2012 veröffentlicht worden. Als wichtige Quellen dienten für den Beitrag Manfred Wittors. „Mühlen in Großefehn. - Ihre Geschichte und die ihrer Erbauer und Betreiber 2002“ sowie Gerd Saathoffs: „Bagbands Mühle ohne Vorgänger“ und Albert Kroons: „Bagband. Die Geschichte eines ostfriesischen Bauerndorfes.1995“.
Anmerkung von Mühlenwart Jochen Wagner: Obwohl der Bericht schon etwas älter ist, zeigt er immer noch viel interessanten Hintergrund und überraschende Details auf, die aus anderen Quellen kaum noch oder nicht mehr für zeitgemäße Publikation zur Verfügung stehen.
Dieser Start-Beitrag zur Geschichte der Mühle Bagband und ihrer Müller wird durch weitere Berichte, Fotos, Filme, Urkunden, Zeitzeugen und Interviews erweitert.
Die Mühle Bagband befindet sich im Eigentum der Gemeinde Großefehn.
Koordinaten und Kurzbeschreibung:
Windmühle Bagband Landkreis: Aurich Standort: 26629, Großefehn Bagband, Mühlenstr. 1 Koordinaten: 53.342714 7.607267 Kontakt: Frerich Bohlen, Tel.: 04946-216, Beschreibung: Einstöckiger Galerieholländer (1812) mit Windrose und Jalousieflügeln, Peldegang und Schrotgänge, voll funktionsfähig.
200 Jahre Bagbander Mühle/Ostfriesland Albert Kroon
Die an der Bundesstraße 72 in Bagband - eine Ortschaft der Gemeinde Großefehn in Ostfriesland - stehende Kornwindmühle wurde im Jahre 1812 von Frerich Jürgens Bohlen erbaut.
In Ostfriesland, damals unter französischer Fremdherrschaft, waren die bis dahin starren Vorschriften der preußischen Regierung über die Errichtung von Mühlen gelockert worden. Bohlen hatte ursprünglich eine Mühle in der Gegend von Firrel bauen wollen, weil dort die Einwohner lange Anfahrtswege zur nächsten Mühle hatten.
Da die französische Regierung aber keine Standortvorschriften machte, entschloß sich Bohlen seine Mühle in Bagband, in der Nähe des Dorfes, am Bagbander Tief zu bauen. Hier wehte der Wind aus erster Hand über die baumlose Meedenniederung.
Die Großzügigkeit der Regierung erforderte allerdings auch ihren Preis, denn an Stelle der früheren Windheuer musste ein sogen. Patent gegen eine nicht geringe Gebühr erworben werden.
Bagband vor 1950, Fuhrwerk schon mit Gummibereifung.
Die Mühle lag zwar an dem Alten Postweg, den zweimal am Tag auch die Postkutschen zwischen Aurich und Leer passierten, doch war der Weg in den Wintermonaten oft nur schwer befahrbar. Die um 1840 erbaute Landstraße von Leer nach Aurich erleichterte zwar den Verkehr der Mahlgäste zur Mühle, doch als diese erste besteinte Straße auch mit Bäumen bepflanzt werden sollte, befürchtete der Müller, dass diese ihm buchstäblich den Wind aus den Segeln nehmen könnten. Er prozessierte gegen die Baumbepflanzung der Straße, hatte aber keinen Erfolg.
Die Mühle von Frerich Jürgens Bohlen wurde dann 1813 als Pelde- und Mahlmühle mit einem Wert von 12660 Mark in das Verzeichnis der Mühlenbrandsozietät eingetragen. Manfred Wittor hat in seinem Buch „Mühlen in Großefehn“ (siehe „Quellen“) die Maße der Mühle aus dem Jahre 1820 aufgeführt. Die Mühle ist 54 Fuß hoch und 29 Fuß, 6 Zoll weit. Die Flucht der Flügel beträgt 74 Fuß. Sie hat „drey Gänge“, die sich auf 2 Rheinländische Mahlsteine zu 5 Fuß, 2 Zoll, 1 Pellstein zu 6 Fuß, ein Pellstein zu 6 Fuß 2 Zoll verteilen.
Frerich Jürgens Bohlen, der erste Müller auf der Bagbander Mühle, stirbt am 27.3.1860. Sein Sohn Heye Frerichs Bohlen übernimmt 1861 die Mühle. Im Jahre 1869 wird das Wohnhaus der Mühle erneuert. Schon vorher, beim Mühlenbau 1812 wird von einer Wohnung berichtet. Danach soll es einen Brand gegeben haben, doch lässt sich dies nicht belegen. Wahrscheinlicher ist, dass die Wohnung der Familie zu klein gewesen ist, bestand sie doch aus 15 Personen, davon 13 Kindern. 1874 erhielt die Mühle neue Mahlsteine und einen Keller zur Lagerung von Kartoffeln.
Bagband von Osten, die Scheune ist heute nicht mehr vorhanden. Scans: Privat
Der 2. Müller der Mühle Bagband, Heye Frerichs Bohlen, wurde am 4.1.1901 in Bagband zu Grabe getragen. Zur Übergabe an den dritten Müller Frerich Heyen Bohlen wurde 1902 eine neue Schätzung der Mühle vorgenommen. Der Wert wird mit 11500 Mark angegeben.
Bis zum Jahre 1910 sollen die Flügel der Mühle mit Segeln bespannt gewesen sein, danach erhielt sie Jalousien. Um 1920 wurde östlich der Mühle ein Motorhaus erstellt, in das ein Benzolmotor mit einem Mahlgang eingebaut wurde.
Der dritte Müller der Mühle, Frerich Heyen Bohlen, starb schon im Alter von 45 Jahren am 20.8.1920. Manfred Wittor berichtet hierüber: „Es blieb dann der resoluten Witwe Eta, geb. Möhlmann überlassen, die Mühle mit der Landwirtschaft zu betreiben.
Sie meisterte dies die ersten Jahre alleine, bis der 4. Müller auf der Mühle, Heio Frerich Bohlen, geb. 1909, das Alter erreicht hatte, um mithelfen zu können. Er erlernte das Müllerhandwerk auf der Mühle in Felde (ebenfalls Gemeinde Großefehn) und erwarb 1936 den Meisterbrief in diesem Beruf.“
Müller Heio Frerich Bohlen arbeitete bis zum Beginn des 2. Weltkrieges mit seinem Bruder Gerhard zusammen. Gerhard Bohlen hatte ein Praktikum im Müllerwesen bei Müller Onken in Westgroßefehn gemacht. Die Brüder Heio und Karl wurden dann zum Kriegsdienst eingezogen, Gerhard wurde freigestellt. Karl Bohlen fiel in Afrika, während Heio Bohlen bis 1945 Soldat war und in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Er kam erst 1949 zurück. 1952 wurden Sohn Frerich und 1954 Sohn Dieke Bohlen geboren.
In dieser schweren Zeit hat Gerhard Bohlen die Landwirtschaft und die Mühle allein betrieben. Gerhard Bohlen wohnte bis 1948 im Müllerhaus und zog danach mit seiner Frau in das neu erbaute Haus an der Mühlenstraße.
„Den von vielen Leuten nach dem Kriege gesehenen Aufschwung in der Müllerei und dem Landhandel haben wir nicht mitbekommen, da wir noch Kinder waren“ so berichteten Frerich und Dieke Bohlen. „Unsere Eltern hatten der Mühle einen Landhandel angegliedert, der anfangs gut lief.
In der Zeit bis 1954 fuhr unser Vater Heio mit einem von 2 Pferden gezogenen Wagen zu den Bauern, um Getreide zum Mahlen und zum Reinigen mit zu nehmen und Futtermittel zu verkaufen.
1962 baute Mühlenbauer Böök aus Dunum (nahe Esens/Ostfriesland) einen Elektromotor ein, mit dem dann ein Mahlgang betrieben wurde. Im Sommer 1963 erhielt die Bagbander Windmühle ein neues Reithdach. Der örtliche Dachdecker Reinder Meyer, der schon 50 Jahre dieses Handwerk ausgeführt hatte, wurde mit dieser Arbeit beauftragt. Da er aber schon 65 Jahre alt war, holte er den namensgleichen Dachdecker Berend Meyer aus Bedekaspel zu Hilfe.
Das Reith, das zu Eindeckung der Mühle verwendet wurde, war am Großen Meer bei Riepe (Ostfriesland) geschnitten worden. Zu der Zeit hatte die Mühle noch einen Steert mit Kroijwark. Das bedeutete, wenn der Wind sich drehte, mussten die Mühlenflügel von Hand in den Wind gedreht werden. Das Kroijwark wurde 1965 durch eine moderne Windrose ersetzt.
Schwere Stürme mit Orkanböen richteten in den 1970er Jahren erhebliche Schäden an den Flügeln, der Windrose und dem Reithdach an. Der Eigentümer war nicht in der Lage, die Schäden, die sich auf mehrere zehntausend Mark beliefen, zu tragen. Die Mühle drohte zu verfallen und das Ende dieses Baudenkmals war abzusehen. Heio Bohlen resignierte. „Seit Jahrzehnten habe ich viel Geld in die Mühle gesteckt, jetzt ist Schluß, es bleibt nur noch der Abbruch.“
Doch es sollte anders kommen! Der Bagbander Gerhard Block, Mitglied der „Vereinigung zur Erhaltung von Wind- und Wassermühlen“, setzte sich für die Erhaltung der Bagbander Mühle ein. Die vorläufige Instandsetzung erforderte Mittel in Höhe von 28.000 DM. Um an Zuschüsse zu gelangen, waren Eigenleistungen von mindestens 25% erforderlich. Als Leiter der Zweigstelle der Kreissparkasse Aurich in Bagband gelang es ihm, mit einem Aufruf, der vom Ortsrat Bagband unterstützt wurde, Spenden in Höhe von 7.800 DM zu sammeln. Die Gemeinde Großefehn genehmigte 4.000 DM. Von der Mühlenvereinigung kamen 5.000 DM. Die Kreissparkasse Aurich steuerte 3.000 DM bei. Weitere Aktionen erbrachten 4.500 DM.
Damit konnten die ersten Schäden beseitigt werden, und die Mühle strahlte wieder in neuem Glanz. Doch bald schrillten die Alarmglocken wieder: Die Flügel drehten sich nicht mehr, da der „Windpöl“ (Balken unter dem Flügelkreuz) gebrochen war. 1978/79 standen weitere größere Reparaturen an. Sie kamen aber nicht mehr zur Ausführung da das Geld fehlte.
Am 10.12.1983 verstarb Heio Bohlen, der vierte Müller auf der Mühle Bagband.
Der reetgedeckte 200jährige Mühlenbau.
Nachdem der Mühlenbetrieb und der Landhandel aufgegeben wurden, verpachteten die Söhne Dieke und Frerich die Mühle1986 an die Gemeinde Großefehn. Die Gemeinde ließ die Mühle 1988 im Rahmen der „Dorferneuerung Bagband“ mit einem Kostenaufwand von 220.000 DM sanieren. Die Flügel bekamen wieder Segel. Die Galerie wurde in Bongossiholz erneuert. Auch die Kappe der Mühle konnte von dem in Diensten der Gemeinde stehenden Mühlenbaumeister Theodor Mönck und seinem Mitarbeiter Werner Köster neu gefertigt und mit einem Kupferdach abgedeckt werden.
Der bis dato vorhandene Übergang von der Mühle zum Haus fehlte in den ersten Jahren, wurde dann aber nachträglich eingebaut 1990 errichteten Mitarbeiter des Bauhofes der Gemeinde Großefehn neben der Mühle ein Backhaus mit einem Backofen. Dieses Backhaus dient auch als Unterstellmöglichkeit für die Kinder der Schulbushaltestelle.
Im Rahmen der 13. Großefehner Mühlentage wurde 1989 die Einweihung der Bagbander Mühle mit einem Festprogramm gefeiert. Am 1.1.1993 ging das gesamte Anwesen, Mühle und Müllerhaus, in den Besitz der Gemeinde über. Die Gebrüder Bohlen waren von einer großen Last befreit. Sie wohnen aber weiterhin im Vorderhaus des Mühlenhauses. Die Gemeinde stellte Dieke als Arbeiter im Bauhof ein. 1994 wurde das Müllerhaus vollkommen erneuert. Das gesamte Stallgebäude mit seinem Ständerwerk musste unter Verwendung der alten Steine neu aufgebaut werden. Auch die frühere Fassade des Wohnhauses konnte nach alten Fotos rekonstruiert werden. Dazu wurden die bei früheren Umbauten eingesetzten Fenster wieder durch Sprossenfenster ersetzt. Die Maßnahme kostete 300.000 DM.
In Zusammenarbeit mit Manfred Wittor, dem damaligen Leiter der Touristik-Geschäftsstelle der Gemeinde Großefehn, rief ich in meiner damaligen Eigenschaft als Ortsbürgermeister zu Beginn des Jahres 1991 zur Gründung eines „Vereins zur Förderung der Bagbander Mühle“ auf. Daraufhin konstituierte sich am 4. Februar 1991 in der Gaststätte Hinrichs der Mühlenverein Bagband der sich am 18.8.1992 eine Satzung gab, ein eingetragener Verein wurde und mit der Gemeinde Großefehn am 1. April 1993 einen Nutzungsvertrag abschloß.
Zum Vorsitzenden des Mühlenvereins wird am 4. Februar 1991 Gerhold Buß gewählt. Ihm zur Seite steht ein sechsköpfiger Vorstand. 32 Personen erklären am Gründungstag ihre Mitgliedschaft. Erklärtes Ziel der Gemeinde ist es, die mit hohem Kostenaufwand hergerichtete Mühle wieder mit Leben zu füllen und zum Mahlen zu nutzen.
Hierbei unterstützt der Verein die Gemeinde, in dem er die Mühle für Besucher in der Zeit von Ostern bis September an Sonn- und Feiertagen geöffnet hält, und die Mühle arbeiten läßt, wenn es die Wetterlage erlaubt.
In Verbindung mit dem Backhaus führt der Verein Mahl- und Backtage durch. Im torfbeheizten Backofen wird dann das Bagbander Mühlenbrot - anfangs von Bäckermeister Rindert Fleßner, dann von Hermann Hinrichs – gebacken.
Die Kappe der Bagbander Mühle.
1995 kann der Verein, der auf 77 Mitglieder angewachsen ist, das Packhaus in Eigenarbeit als Vereinsraum ausbauen. 1999 entschloß sich die Gemeinde, wieder Flügel mit Jalousieklappen einbauen zu lassen, sie kosteten 85.000 DM. Im gleichen Jahr kaufte die Familie Eschen aus Wiesmoor (Ostfriesland) den Scheunentrakt (ostfr. = Achterenn) des Müllerhauses und ließ hierin eine antike ostfr. Teestube einrichten. Auch die abgängige Nebenscheune (ostfr.= Bischüür) wird von Fam. Eschen neu aufgebaut und dem Gaststättenbetrieb einbezogen.
Mühle, hinter den Bäumen das ehemalige Müllerhaus, heute ein Restaurant.
Fotos: R. Heßling
Frerich Bohlen schließt 2001 bei der VHS Leer seine Ausbildung zum „Freiwilligen Müller“ ab und wird vom Verein als Mühlenführer eingestellt. Nach einem Brandschaden im Jahre 2003 wird der Backofen im Backhaus erweitert, so dass jetzt die doppelte Brotmenge gebacken werden kann. 2004 tritt Gerhold Buß als Vorsitzender des Mühlenvereins zurück. Um die Auflösung des Vereins zu verhindern, übernahm ich für ein Jahr den Vorsitz. In diesem Jahr bekommt die Mühle ein neues Reetdach. Fördermittel erhält die Gemeinde hierfür aus dem Leader-plus-Programm der Europäischen Union und dem Mühlenpool des Landkreises Aurich.
2005 wird Erwin Onnen zum Vorsitzenden des Mühlenvereins gewählt. 2006 erweitert der Verein das Backhaus; von den Mitgliedern werden 700 Arbeitsstunden erbracht. 2011 wird Berthold Gerdes Vereinsvorsitzender. Im Jahr 2012 feierte das Dorf das 200-jährige Bestehen der Bagbander Mühle.
Die Mühle mit dem Mühlenhof liegt an der vielbefahrenen Bundesstrasse 72 in Bagband. Sie ist für alle, die aus südlicher Richtung nach Ostfriesland kommen, ein erster positiver Blickfang von der Mühlengemeinde Großefehn und zählt unter Kennern als eine der schönsten und am besten proportionierten Mühlen Ostfrieslands.
Quellen:
Manfred Wittor. „Mühlen in Großefehn. - Ihre Geschichte und die ihrer Erbauer und Betreiber 2002“.
Gerd Saathoff: „Bagbands Mühle ohne Vorgänger“.
Albert Kroon: „Bagband. Die Geschichte eines ostfriesischen Bauerndorfes.1995“.
Mit viel Liebe und Sachverstand: Handgefertigtes Modell der Mühle Bagband im Bürgerhaus von Großefehn. Foto: Jochen Wagner
Mühle Bagband im Querschnitt: In Farbe hat Mühlentechniker Rüdiger Hagen die Ausstattung und ihre Funktionsweise der Mühle versiert und verständlich dargestellt. Repro: Jochen Wagner
Seit Jahren im Schaukasten der Bagbander Mühle - Die übersichtliche Funktions-Skizze vom Mühlenverein. Repro: Jochen Wagner