Plakat-Kreation zum vergangenen Mühlentag in Spetzerfehn von Jochen Wagner
Maße und Wert der Mühle
Wissenswertes zur Mühle Steenblock Spetzerfehn
Bei einer Taxierung der Mühle zum 10.3.1949 wurde der Wert des Müllerei-
betriebes mit Anbau und 18 PS-Dieselmotor auf 37.830 DM festgelegt.
Und auch noch einmal die Abmessungen wie folgt festgehalten:
Durchmesser unten: 9,1 m
Durchmesser in Höhe der Galerie: 8,1 m
Durchmesser im Kranz unter der Kappe: 4,2 m
Dicke des Mauerwerks: 0,5 m
Eine Seite des 8-Ecks: 3,72 m
Höhe bis Galerie: 9,9 m
Höhe bis Kranz: 18,9 m
Ganze Höhe: 22,1 m
Flucht der Flügel: 22,2 m
Schätzer: v. Höveling, Mönck.
Quellen: Manfred Wittor „Mühlen in Großefehn“
Mühlen in Großefehn
Pro Jahr werden an der alten Spetze ca. 600 t Getreide vermahlen
Selten in Ostfriesland: Mühle Steenblock arbeitet noch mit Wind in Spetzerfehn (Teil 1)
Von Jochen Wagner
Großefehn/Spetzerfehn.Dieser imposante dreistöckige Galerieholländer mit Windrose und Jalousieflügeln stammt aus dem Baujahr 1886. Die 1961 renovierte Wind- und Motormühle arbeitet aktuell mit einem Schrotgang (1,75m Durchmesser), nutzt dabei Windkraft und einen E-Motorbetrieb. Hinzu kommen ein zerlegter Peldegang (1,5m Durchmesser), ein stillgelegter Feinmehlgang 1,5m Durchmesser) sowie Hammermühle und Haferquetsche. Zum Anwesen gehörte früher eine Bäckerei, die sich im heutigen Müllerhaus befand (Ostfriesisches Mühlenbuch Seite 149). Zudem befinden sich noch diverse Müllereimaschinen und ein seltener eingebauter Elektro-Aufzug im Inneren der Mühle.
Müller ist heute Heye Steenblock, der die Mühle von seinem Vater Theodor Steenblock (2015 gestorben) übernommen hat. Heute werden auf der Steenblock-Mühle jährlich ca. 600 t verschiedenster Getreidesorten zu Tier-Futter vermahlen.
Mühlen-Standort: 26629 Großefehn-Spetzerfehn, Postweg 7 (früher alter Spetz, Tel. 04943/648, Landkreis Aurich, Niedersachsen.
Zur Mühlenhistorie: Unterschiedlichen Quellen zufolge soll am derzeitigen Mühlenstandort bereits 1818 die erste Spetzerfehner Getreide-Windmühle gestanden haben. Sie brannte nach Blitzschlag im 1. Oktober 1885 ab.
Manfred Wittor (Mühlen in Großefehn) zitiert dazu einen Bericht vom 6. Oktober 1885 aus den Ostfriesischen Nachrichten:
„Spetzerfehn, 2. Oktober (1885). Gestern abend überzog unseren Ort ein Gewitter, welches nicht ohne ernste Folgen vorüber gehen sollte. Eine Stunde vor Mitternacht schlug der Blitz in die schöne Windmühle des Andreas Müller und setzte diese sofort in Flammen. Das angränzende Wohngebäude konnte dem verheerenden Elemente erst entrissen werden, als inzwischen um etwa 1 Uhr die Brandspritze von Westgroßefehn eiligst angelangte. Durch die kräftige Leitung des Sprühmeisters, Herrn Gemeindevorstehers Kampen und der angestrengten Thätigkeit der Bedienungs- und Löschmannschaften gelang es, des Feuers in dem Hause endlich Herr zu werden, und weiteres Unglück an den Nachbarhäusern zu verhüten. Die schöne Liegenschaft, welche unserem Orte zur Zierde gereicht, ist einer Ruine gleich, und ist nur zu wünschen, daß sie bald aus der Asche neu hervorgehen möge.“
Dafür wurde 1886 an alter Stelle die heute bekannte Getreidemühle mit neuem Müllerhaus gebaut. Wie damals üblich war die Windmühle mit Segelgattern und Steert ausgestattet. Mühlenbauer war Jürgen Mönk aus Großefehn (Mühlenbauzimmermeister).
Im Laufe der Jahre wurde die neue Mühle modernisiert: Im Jahre 1929 Einbau eines Dieselmotors, ab 1939 Einrichtung eines Elektromotors als Sekundarantrieb. Schließlich wurde der Mühlenbetrieb der Familie Müller 1953 aufgegeben, die Mühle stand still.
Heye Steenblock beim Futter mahlen.
Foto Jochen Wagner
Wilhelm Kleeberg (Niedersächsische Mühlengeschichte, Seite 341) schrieb zu Beginn der 1960er Jahre zu dieser Mühle: „Der Galerieholländer hat keine Windrose und keine Jalousieklappen mehr. Der Windantrieb ist somit nicht benutzbar.“
Die desolate Mühle ging 1955 mit Pächter Theodor Steenblock wieder in Betrieb. Steenblock sorgte 1961 als neuer Eigentümer für eine Komplett-Renovierung der Spetzer Mühle. Das arbeitende Denkmal ist weiter in Familienbesitz und gilt als letzte Mühle Ostfrieslands, die noch gewerbsmäßig mit Windkraft arbeitet.
In den 1950er Jahren setzte überall ein großes Mühlensterben ein. Auch Spetzerfehn drohte damals seine Mühle zu verlieren, sie stand mehrere Jahre still. In dieser Zeit verfasste Heimatschriftsteller Johann Schoon das nachfolgende Stück
https://johann-schoon.de/17-es-stirbt-eine-muehle
Es stirbt eine Mühle
von Heimatschriftsteller Johann Schoon
(1894 – 1968) Ostfriesland
Ein Rätsel unserer Kinderzeit hieß: „Wat hett`n Foot un kann nich lopen, Flögels un kann nich flegen, Seiels un kann nich driefen, Raden on kann nich fohren?" Die Auflösung hieß: „Die Mühle, nämlich die Windmühle unseres Ortes, die aus der Gedankenwelt der Kinder nicht wegzudenken war.
Sie ragte über die Häuserreihen hinweg, hoch über Busch und Baum, über naturgewachsene und menschengeschaffene Dinge fort, kreiste ihr Kreuz im Winde, der über die Weite wehte. Ihr sausender Schwingenschlag war weithin hörbar, ihr Schatten reckte sich fernhin über Wasser, Weg und Haus.
Wir waren der Mühle benachbart, wuchsen mit den Müllerjungs auf und waren in unserer Freizeit oft und gern in der Mühle. Welch ein Hochgenuss war es, wenn wir auf der Swichtstellung (Galerie), dem Rundgang über dem Unterbau der Mühle, stehen durften und die Siedlungen überblickten.
Als Könige dünkten wir uns, wenn wir noch höher, bis in die Kappe oder Haube klettern und durch das kleine Fenster an der flügelabgewandten Seite schauen durften.
Ein altes Fernrohr, das dem Müller gehörte, erweiterte unseren Sichtkreis weit, sehr weit. Bäume und Sträucher waren zwerghaft klein, Wege und Straßen wurden zu schmalen Bändern, Teiche und Wasserläufe zu Lachen und Rinnen.
Die Flügel der Mühle waren mit Segeln bespannt, mit dem Kröjrad (Drehkranzhaspel) musste die Kappe gedreht werden, damit der Wind die Flügel treffen und schwenken konnte.
Die Segel wurden je nach der Windstärke voll oder halb gesetzt oder auch gerefft. Mit der Fangleine wurde der Fangstock bedient und somit das Antriebsrad in der Kappe gebremst. Vielseitig war damals die Arbeit des Müllers.
Es gab noch keine Jalousieklappen anstelle der Segel, keine Windrose bewirkte das selbstständige Drehen der Kappe und damit der Flügel. Schlimm war es, wenn der Wind küselte und alle Augenblicke das Kröjrad bedient werden musste.
Wir kannten alle Verrichtungen, die im Laufe des Mahlganges ausgeführt wurden. Die Schlinge des Aufzugseils wurde um den Hals eines Kornsackes gelegt, ein Ruck an dem dünnen Antriebsseil bewirkte dann die Weiterbeförderung in den zweiten Stock. Zwei Klappen öffneten sich, den Sack durchzulassen, sie fielen daraufhin wieder zu. Das Korn wurde dann in den „Rump" (Trichter) des Mahlganges geschüttet, der sogenannte Rüttelschuh besorgte das gleichmäßige Zufließen des Mahlgutes.
Einmal hatte ich den Keil herausgerissen, der den Rüttelschuh hielt (stoppte), weil mir das Rütteln zu lange dauerte. Mit unglaublicher Geschwindigkeit sauste Onkel Müller trotz seiner Gewichtigkeit die Treppe hinauf, ich ließ mich am Sackseil (Sackaufzug) hinuntergleiten und flitzte zur Tür hinaus.
Meine Abreibung bekam ich aber doch am nächsten Tage und gleichzeitig eine Belehrung über die Folgen, die durch meinen Leichtsinn hätten entstehen können. Unserer Freundschaft tat diese Standpauke aber keinen Abbruch.
Müller und Mühle waren für meine kindlichen Begriffe unzertrennlich. Ich konnte mir nicht denken, wie der Betrieb ungestört weitergehen könnte, wenn der Müller einmal sterben müsste. Als ich ihm gegenüberdiese Bedenken einmal äußerte, sagte er: „Wenn de Müller starft, dat helpt sück, man wenn de Möllen starft, dat is leep".
Aber wie sollte eine Mühle sterben, solange der Wind wehte und das Korn auf den Feldern reifte? Und selbst, wenn sie abbrenne, dann würde sie doch schöner und moderner wieder aufgebaut werden.
Und doch kam der Tag an dem die alte Mühle zu sterben begann. Noch dreht der Wind die Windrose, aber er lässt nicht mehr die Flügel kreisen, die Räder stehen still und die Mühlsteine zerreiben kein Korn mehr zwischen ihrem geriffelten Rund. Jahre, Jahrzehnte kann ihr Sterben dauern, aber eines Tages wird sie eine Ruine geworden sein, ein ragendes Gerippe, flügellahm, altersmorsch und wettergezeichnet.
Einen Wunsch habe ich: Möge dich der Blitz treffen, der Sturm zerschmettern oder eine andere Katastrophe dich vernichten, damit dir das langsame Sterben erspart bleibe, du Freundin unserer Kindheit, du Dienerin unseres Ortes, du Wahrzeichen der Landschaft.
De olle Möhlen
Nu steiht uns olle Möhlen
so still in Räg`n un Rött,
De Klapp`n van d` Flögels spölen,
Wenn d` Wind doröver stött.
Dat Krüz, dat kann nich dreihen,
De Raden, de staht still,
De Wind de mag ok weihen,
Van weker Siet he will.
Dor up de Swichstell`n buten
Leep ich so fak`n as Kind,
Ick keek ut de boversten Ruten,
Nu sünd se stofferg un blind.
Dat gahnde Wark verspaakde,
Dat Dack is gries un verleckt.
Ick wull, dat de Blitz di raakde
Of de Störm di toschanne breckt.
Johann Schoon
Textursprung: Johann Schoon, Bearbeitet von Jochen Wagner, Spetzerfehn
De olle Möhlen
Nu steiht uns olle Möhlen
so still in Räg`n un Rött,
De Klapp`n van d` Flögels spölen,
Wenn d` Wind doröver stött.
Dat Krüz, dat kann nich dreihen,
De Raden, de staht still,
De Wind de mag ok weihen,
Van weker Siet he will.
Dor up de Swichstell`n buten
Leep ich so fak`n as Kind,
Ick keek ut de boversten Ruten,
Nu sünd se stofferg un blind.
Dat gahnde Wark verspaakde,
Dat Dack is gries un verleckt.
Ick wull, dat de Blitz di raakde
Of de Störm di toschanne breckt.
Johann Schoon
Textursprung: Johann Schoon, Bearbeitet von Jochen Wagner, Spetzerfehn
Die Mühle
"Zerfetzt sind ihre Flügel
Längst brach der Wind sich Bahn.
Nun wuchern um den Hügel
Schaumkraut und Löwenzahn.
Moos nistet in den Mauern,
Der Rundgang fiel heraus.
Und ließ im Dunklen kauern
Steinkauz und Fledermaus.
Die schmalen Fenster fahlen,
Wie der hier schuf dahin.
Der Stein, der Korn gemahlen,
Ward Dasein ohne Sinn.
Die Blumen blühn hier trüber,
Den Gartenzaun hinauf.
Die Straße geht vorüber,
Und keiner hält sich auf.
Nur Möwen, Sturmgetümmel
Und Wolken schwarz und schwer
Ziehn über ihr am Himmel
Wie einst zu Deich und Meer.“
Text und Zeichnung: Jürgen Müller-Düring
Veröffentlicht im Anzeiger für Harlingerland.
Jürgen Müller-Düring war Maler/Künstler/Kunsterzieher aus Aurich/Wittmund
Jürgen Müller-Dühring stammt aus der Müller-Familie Müller aus Ostgroßefehn, lebte mit seiner Mutter in Stollhamm, später in Ardorf/Rispel und Wittmund. Ein Teil seiner umfangreichen Werke wurde 2024 in Wittmund zur Erinnerung an seinen 100. Geburtstag ausgestellt.
Bu: Verfallene Ardorfer Mühle vor dem Abriss um 1978
Fotos: Jochen Wagner